Mit der Vergabe der 19. Médaille Charlemagne pour les Médias Européens an das Erasmus Student Network würdigt das Kuratorium dessen Verdienste als transeuropäisches Netzwerk, welches Studenten nicht nur dabei unterstützt, Auslandssemester zu absolvieren, sondern dabei im Wesentlichen auch das Ziel verfolgt, Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen zusammen zu bringen.
Die innereuropäischen zwischenstaatlichen Ressentiments werden aktuell immer größer. Immer häufiger sprechen sich Bürger, Parteien und selbst Regierungen zugunsten nationaler Interessen offen gegen ein gemeinsames Europa aus, immer häufiger und immer wird offen nach Abgrenzung gerufen.
Sollten diese Tendenzen nicht aufgehalten werden können, steht zu befürchten, dass es dieses einheitliche Europa dauerhaft nicht geben wird.
In der Vergangenheit wurden zu häufig vor allem wirtschaftliche Aspekte in den Vordergrund gestellt, wenn es darum ging, die Vorteile eines vereinigten Europas zu erläutern. Dies ist unbestritten ein wichtiger Aspekt, er führt jedoch – wie die Vergangenheit gezeigt hat – nicht dazu, dass sich die Menschen als Europäer fühlen und sich für ein einheitliches Europa aussprechen.
Ein einheitliches Europa kann nur funktionieren, wenn die Menschen beginnen, sich nicht nur als Polen, Deutsche, Niederländer, Belgier etc. zu begreifen, sondern darüber hinaus auch als Europäer, jedoch ohne die nationale Identität zu verlieren. Ohne Bindungen und ohne Emotionen wird es dauerhaft kein einheitliches Europa geben.
Hierfür ist es unumgänglich, dass wir andere Länder, deren Kulturen und Mentalitäten kennen lernen. Durch das Studieren und Leben, durch Begegnung und Austausch in einem anderen Land werden Beziehungen auf- und Ressentiments abgebaut. Wir brauchen weltoffene und neugierige junge Menschen, die als Unterstützer eines einheitlichen Europas für dessen Werte einstehen und Europa mit Herz und Verstand gestalten und die Vorteile eines Europas weitertransportieren.
Genau an dieser Stelle setzt das Programm des Erasmus Student Networks an, welches auf gegenseitigen Respekt, Toleranz, Offenheit und die Befürwortung eines einheitlichen Europas basiert.
Der Aachener Oberbürgermeister Marcel Philipp betonte in seiner Begrüßungsrede, dass eine längere Zeit im Ausland zu lernen und zu arbeiten weit mehr sei als nur ein fachdisziplinärer Ausbildungsabschnitt. Damit verbunden sei das Eintauchen in eine andere Kultur, das Leben und Denken in einer fremden Sprache und das Kennenlernen anderer Sichtweisen. Vor allem aber seien es die Begegnungen mit Menschen anderer Länder, durch die oft lebenslange Freundschaften entstehen und berufliche Netzwerke aufgebaut würden.
Philipp: „Das Erasmus-Programm sorgt seit 32 Jahren dafür, dass genau dies für Millionen junger Europäerinnen und Europäer möglich wurde. Gerade in den derzeit schwierigen Zeiten, in denen Europa unter Druck steht, ist Erasmus ein ermutigendes Symbol, das für die Zukunft des europäischen Projektes steht, für Toleranz und Akzeptanz, für grenzüberschreitende Kontakte und Kooperation, für Vielfalt und zugleich europäische Einigkeit“.
Michael Kayser, Vorsitzender des Vereins „Médaille Charlemagne“ hielt den Zuhörern im Krönungsaal eindringlich vor Augen, dass gerade junge Menschen die Zukunft Europas sein. Sie müssten es gestalten, fördern und zukunftsfähig machen. Er erklärte: „Die Gefahr liegt darin, dass für die heutigen Studentinnen und Studenten das vereinte Europa eine Selbstverständlichkeit ist. Sie sind darin aufgewachsen und können sich etwas anderes überhaupt nicht vorstellen. Ein Blick in die gar nicht allzu weit entfernte Vergangenheit verrät jedoch etwas anderes. Das bedeutet, es muss aus der Vergangenheit gelernt werden, um die Zukunft gestalten zu können.“
Am Rande der Preisverleihung sagte bereits Dr. Jürgen Linden, Vorsitzender des Aachener Karlspreisdirektoriums: „Aktuell findet in Europa – am kommenden Sonntag bei uns in Deutschland – die Europawahl statt. Das Interesse der Medien ist diesbezüglich – so zumindest mein Eindruck – so groß wie lange nicht mehr. Beinahe täglich findet eine Talkshow oder ein Kandidatenduell statt. Es wird sich zeigen, ob die Bürgerinnen und Bürger dieses Interesse teilen, zur Erinnerung, bei der letzten Wahl lag die Wahlbeteiligung unter 50 %.“ Er betonte: „Ich setze sehr auf unsere Erasmus-Generation. Gerade Menschen, die die Freiheiten des vereinten Europas für sich nutzen und diese zu schätzen wissen, sollten auch hierfür einstehen. Auch an den Wahlurnen.“
Foto: AuréliaCefis